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Ein Krieg gegen die Unkultur

Während des II. UNEAC-Kongresses sprach der Dichter Nicolás Guillén im Beisein von Alejo Carpentier und Alfredo Guevara mit Fidel Photo: Mario Ferrer
Während des II. UNEAC-Kongresses sprach der Dichter Nicolás Guillén im Beisein von Alejo Carpentier und Alfredo Guevara mit Fidel Photo: Mario Ferrer

Datum: 

25/11/2019

Quelle: 

Granma International

Autor: 

Im Juni 1961 kündigte Fidel an, dass Kuba „einen Krieg gegen die Unkultur" führen werde, und forderte die Intellektuellen und Künstler aller Richtungen, aller Generationen auf, ihre Begabung in den Dienst dieser größeren Anstrengung zu stellen.
 
Es war auch ein Krieg gegen die Manipulation des Bewusstseins, gegen den kulturellen Kolonialismus und für die Vollkommenheit und die Emanzipation des Menschen. Martís Vorstellungen von der befreienden Funktion der Kultur waren bereits Teil des zentralen Kerns von Fidels Denken. Kuba würde seinen Zustand der entwerteten Neokolonie hinter sich lassen und sich in eine souveräne, gerechte, würdevolle Republik, inspiriert von den Idealen von Martí und Marx, verwandeln. Die Minderwertigkeitskomplexe und der zwanghafte und unterwürfige Blick nach Norden würden verbannt werden. Das Land und seine Kinder würden frei sein von dessen politischen, wirtschaftlichen und spirituellen Sehweisen.
 
Die Revolution hatte bereits das ICAIC, die Casa de las Americas, die Nationale Druckerei und die Schule der Kunsterzieher gegründet und befand sich mitten in der Alphabetisierungskampagne. Das Nationale Folklore-Ensemble, das 1962 entstehen sollte, würde auf den Hauptverbreitungswegen die kraftvolle kubanische Populärkultur fördern, die von der rassistischen und an den USA orientierten Oligarchie so verachtet wurde. Bald schon würde die blockierte und angefeindete Insel ein regelrechtes System an künstlerischer Ausbildung haben, von der Grundstufe bis hin zum Universitätsniveau. Das Land füllte sich mit Kunstschulen, Kulturhäusern, Buchhandlungen, Museen und Galerien.
 
Fidel unterstützte persönlich die Gründung von Verlagshäusern und Druckereien in der Provinz, um die Arbeiten von unveröffentlichten oder wenig bekannten Schriftstellern zu verbreiten, und verwandelte die Buchmesse von Havanna in einen riesigen Wanderevent, der das gesamte Staatsgebiet abdeckte.
 
Würde diese Berufung zur Massenhaftigkeit ästhetische Zugeständnisse machen? Würde die Revolution zur Verwendung von pseudokulturellem Brei übergehen, um die weniger vorbereiteten Bevölkerungsgruppen anzuziehen? Wäre das verdummende Yankee-Modell der „Massenkultur" der richtige Weg? Oder vielleicht das sowjetische Modell des „sozialistischen Realismus" mit seiner Last an Didaktik und „positiven Helden" aus Pappmaché? Auf keinen Fall. Die Antwort der fidelistischen Kulturpolitik auf das alte Massenqualitätsdilemma konnte nicht in Vereinfachungen gesucht werden. Wir mussten das Beste der kubanischen und universellen Kultur fördern, einschließlich der experimentellsten und schwierigsten Ausformungen, und diese Arbeit mit der Bildung des Publikums begleiten, durch aktive Teilnahme an kulturellen Prozessen, spezialisierten Medienkritikräumen und Förderung von Beurteilungsworkshops, die dabei halfen, die komplexeren Codes zu entschlüsseln.
 
Auf diese Weise war es möglich, einen partizipativen und anspruchsvollen Empfänger für künstlerische Ausdrucksformen zu haben, die als „Minoritäten" gelten, wie Kunstkino, klassisches Ballett, zeitgenössischer Tanz und der konzeptuelle Aspekt der bildenden Kunst. Vergessen wir nicht, dass Fidel der Inspirator der Biennale von Havanna war, die nach zwei Grundsätzen konzipiert wurde: Sie würde keine kommerzielle Veranstaltung sein und Künstlern aus dem Süden bevorzugten Raum geben.
 
Der ehrgeizigste Evaluationsworkshop war das Fernsehprogramm „Universität für alle“, das mit einem Kurs über Erzähltechniken aus dem Onelio-Jorge-Cardoso-Center unter der Leitung von Eduardo Heras León uraufgeführt wurde. Die Initiative entsprang einem Austausch zwischen Fidel und Heras bei einem UNEAC-Treffen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte das Zentrum Unterrichtszyklen gelehrt, die für eine kleine Gruppe streng ausgewählter Jugendlicher in einem engen Klassenzimmer konzipiert gewesen waren und die plötzlich zu einem riesigen Forum mit Hunderttausenden von Studierenden wurden.
 
Und es verhielt sich so, dass die engsten Verbündeten Fidels in seinem "Krieg gegen die Unkultur" die Avantgarde-Schöpfer waren. Jedes Mal, wenn er beschloss, ein kulturelles Projekt zu fördern, tauschte er sich mit wertgeschätzten Musikern, bildenden Künstlern, Schriftstellern, Theaterleuten, Historikern, Choreografen und Tänzern aus. Er unterstützte entschlossen das Netzwerk von Intellektuellen, Künstlern und sozialen Bewegungen „Zur Verteidigung der Menschheit“, indem er aktiver Teilnehmer an den Nationalen Kongressen und Räten der UNEAC, der UPEC und der Assoziation Hermanos Saíz wurde.
 
Fidel paraphrasierte oft Martí, wenn er wiederholte: "Ohne Kultur ist keine Freiheit möglich." Und es ist tatsächlich so, dass der Unwissende, ohne Wurzeln oder Erinnerung, ohne Ideen, nicht frei sein oder die Fähigkeit haben kann, sich gegen Fremdherrschaft zur Wehr zu setzen. Sein "Gerät zum Für-sich-selber-Denken" wurde durch die Werbe- und Manipulationsmaschinerie des Kapitalismus demontiert. Sie sagen dir, was du kaufen sollst, was du essen sollst, wen du bewundern sollst, wen du wählen musst; und – solange man das nötige Geld hat – wird man nach den erhaltenen Hinweisen einkaufen und essen und natürlich die zu einem passenden „Berühmtheiten" bewundern und dem favorisierten Kandidaten seine Stimme geben, auch wenn der seine Interessen überhaupt nicht vertritt.
 
Kultur, sowohl für Fidel als auch für Martí, beeinflusst auch einen schwer zu beschreibenden Bereich des Menschen: das, was wir gemeinhin als „Werte" bezeichnen. Echte Kunst holt das Beste aus den Menschen heraus, stärkt seinen Sinn für Ethik, hilft ihm zu wachsen, stellt die Spiritualität in den Vordergrund, hemmt marginales und gewalttätiges Verhalten und ist das beste Gegenmittel gegen die Konsumpredigten und das Wettbewerbsparadigma des Kapitalismus.
 
Fidel sagte, die „erzieherischen" Mechanismen des Kapitalismus appellierten an Selbstsucht und die Verschärfung individueller Instinkte und Ambitionen, während der Sozialismus an die Solidarität, die Brüderlichkeit und an den Kampf gegen die primärsten Impulse des Menschen appellieren müsse. Daher ist die künstlerische Wertschätzung und Präsenz von Kunst, die weder kommerziell noch banal ist, in Bildungs- und Kulturinstitutionen, die mit der Formung der neuen Generationen verbunden sind, so wichtig – eine der Hauptaufgaben der Brigade José Martí der Kunstlehrer.
 

Fidels engste Verbündete in seinem „Krieg gegen die Unkultur
Photo: Granma-Archiv


Obwohl es schmerzt, müssen wir erkennen, dass es Rückschläge gegeben hat. Wir haben es nicht vermocht, den Einfluss des großen Plans zur globalen kapitalistischen Rekolonialisierung, dessen Klima der Frivolität alles kontaminiert und auf die Multiplikationsfähigkeit sozialer Netzwerke setzt, auf bestimmte Bereiche des kulturellen Lebens des Landes einzudämmen.
 
Fidel teilte den martianischen Glauben an die Verbesserung des Menschen. Das muss auch weiterhin das Grundprinzip sein, um den Herausforderungen der Gegenwart zu begegnen und alle Wege, einschließlich der Netzwerke, zu nutzen, um unsere Werte und die kulturelle Arbeit der Revolution zu verteidigen.
 
„Warum wollen wir Kasernen, wenn uns Schulen fehlen?", sagte Fidel im September 1959 bei der Eröffnung des Schuljahres in der >Ciudad Libertad< und dabei dachte er offensichtlich schon an den „Krieg gegen die Unkultur“.
 
Drei Jahre nach seinem physischen Ableben sind wir in der Pflicht, diesem seinem „Krieg“, der nach wie vor ebenso der seine wie der unsrige ist, Kontinuität zu geben